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Wie LGBT-tolerant ist unsere Schule wirklich?

Aktualisiert: 26. März 2021

Ein Kommentar von Antonia Timm, 10. Klasse


„Hey, das ist voll schwul, haha“ ist ein Satz, den man oft auf dem Schulhof hört. Jedenfalls ich bekomme sowas oft mit. Aber wieso eigentlich? Im Unterricht wird dann immer von Inklusivität und Gleichberechtigung geredet, auch oft von denselben Schülern, die sich vorher in der Pause so verhalten haben.

Fakt ist:

Auch wenn es keine gesicherten Zahlen über den Anteil von Lesben, Schwulen und Bisexuellen an der Gesamtbevölkerung gibt, kann Schätzungen zufolge von einem Anteil von 5–10 % der Schüler_innen und Lehrer_innen mit gleichgeschlechtlicher Identität ausgegangen werden sowie von einem unbekannten Anteil an bisexuellen Schüler_innen und Lehrer_innen.


Das heißt, statistisch gesehen sind in jeder unserer Klassen 1-2 Schüler lesbisch oder schwul. Und an unserer Schule, die momentan 908 Schüler hat, sind insgesamt, statistisch gesehen, mindestens 68 Schüler Teil der LGBTQ+ Community. Also wieso wird z.B. „schwul“ immer noch als Beleidigung genutzt?

Eine Studie in NRW ermittelte im Jahr 2005, dass 70 % der Jugendlichen ihr „Coming-out“ zwischen 15 und 21 Jahren hatten. Auch berichten Jugendzentren, dass sich lesbische, schwule und bisexuelle Jugendliche heute zum Teil bereits mit 14 Jahren über ihre Identität im Klaren sind.


Trotz dieser Fakten sind Schulen immer noch sehr rückschrittlich in Bezug auf das seit 2006 in Deutschland geltende allgemeine Gleichbehandlungsgesetzt (AGG), welches unter anderem den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität umfasst. Der genaue Wortlaut dazu lautet: „Ziel des Gesetzes ist es, rassistische Diskriminierungen oder jene, die wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgt sind, zu verhindern oder zu beseitigen.“(§ 1 AGG). Und Schulen werden ausdrücklich im § 2 des AGGs Bildung benannt. Somit besteht die Verpflichtung, für ein diskriminierungsfreies Schulklima einzutreten.

Aber passiert das wirklich? Nein. Schulen sind in dieser Entwicklung immer noch sehr weit hinterher. Besonders die Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen und Trans-Schüler_innen setzen viele Schulen bis jetzt nur wenig entgegen.


Ein Problem ist auch der Gebrauch von Worten wie „Schwuchtel“, „schwul“ und „Lesbe“ als Schimpfwörter und Beleidigungen. Von den Schülern selber. Ich kriege das, wie ich vorher schon erwähnt habe, auch öfter mit, als es mir lieb ist. Dass z.B. einer meiner Klassenkameraden etwas sagt wie: „Das war aber ein schwuler Wurf.“


Laut Studien der Humboldt-Universität missbrauchen 62 % der Berliner Schüler_innen der sechsten Klasse „schwul“, „Schwuchtel“ oder „Lesbe“ als Schimpfwort und 54 % der Neunt- und Zehntklässler_innen. Also immer noch mehr als die Hälfte. Auch wird dies oft von Lehrkräften geduldet bzw. nicht registriert.


Jugendliche treffen auf Mitschüler_innen, die in erheblichem Maß homophobe, d.h. lesben- und schwulenfeindliche Einstellungen haben und vertreten. So ergab eine Umfrage im Jahr 2002, dass 71 % der Jungen und 51 % der Mädchen negative Einstellungen gegenüber Lesben und Schwulen haben.


Die gesellschaftliche Situation von LGBTQ-Personen hat sich in den letzten 25 Jahren in Deutschland zwar stark verbessert, doch trotzdem können sie oft nicht mit der gleichen Akzeptanz rechnen wie heterosexuelle Personen.

Und da in Deutschland die Schulpflicht besteht, sollte vor allem in den Schulen daran gearbeitet werden und inklusive Sexualerziehung in der Schule gewährleistet sein, da Schule ein sehr großer Einfluss auf Jugendliche ist. Daher sollte auf jeden Fall eine Enttabuisierung des Themas „Homosexualität“ im Bildungsbereich stadtfinden.


Auch sollten die Förderung von neuen Konzepten für den Umgang mit dem Thema „Homo- und Transphobie in der Schule“ unterstützt werden sowie die Entwicklung von neuen Unterrichtsmaterialien, die das Thema „unterschiedliche sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten“ stärker berücksichtigen. Genauso wie die Aufnahme des Themas Antidiskriminierung in den Lehrplan und die Materialien und Weiterbildungen der Lehrkräfte dazu.


Was jeder Einzelne dazu beitragen kann sind Aspekte wie

… sich einzumischen, wenn andere Schüler_innen, Eltern oder Lehrkräfte sich diskriminierend über LGBTQ+ Menschen äußern und keine abwertenden Bewertungen hinnehmen

… sich informieren(!). Über Lesben, Schwule und Transpersonen, die große und bedeutenden Sachen erreicht und geleistet haben. Dieses Wissen kann oft auch hilfreich sein und man versteht die Werke von z.B. Thomas Mann besser, wenn man weiß, dass er homosexuell war. Genauso wie Alan Turing (einer der wichtigsten Wissenschaftler der die Codierungsmaschine der Nazis, Enigma, entschlüsselt hat). So etwas wird häufig von Lehrkräften nicht erwähnt.


Auch könnte unsere Schule vielleicht eine Art Plakat-Kampagne gegen Ausschließung und Diskriminierung machen oder zur Aufklärung. Und explizite Schulhausregeln gegen Homophobie aufstellen. Genauso ist das ein Appell an die Lehrer etwas zu sagen, wenn sie hören, dass jemand einen feindlichen Kommentar macht − auch wenn es doch angeblich „bloß Spaß war“.


Insgesamt finde ich, dass wir als Schule und als Schüler noch stark daran arbeiten können, inklusiver und akzeptierender zu werden. Jeder muss zuerst bei sich selbst anfangen, damit wir als Kollektiv etwas verändern können.


- Antonia Timm, 10. Klasse


Quellen:




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