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Interviewreihe Quereinsteiger: Teil 2

Was ist überhaupt ein Quereinsteiger?

Im Zuge des Lehrermangels in Berlin, hat sich der Berliner Senat dafür entscheiden, Menschen aus anderen Berufsfeldern als Quereinsteiger anzuwerben. Auch an unserer Schule unterrichten einige Lehrer, die vorher einen anderen Beruf ausgeübt haben. In dieser Interviewreihe berichten Quereinsteiger über ihre Erfahrungen und ihre früheren Tätigkeiten.

Teil 2: Herr Dr. Uhrigshardt

Was haben Sie studiert?

Ich habe Chemie studiert und dann zu Biochemie gewechselt.


Welche Tätigkeit haben sie vor dem Lehrerberuf ausgeübt?

Oh das wird viel. Also ich habe promoviert, das kann man auf jeden Fall auch schon als Arbeit bezeichnen. Dann habe ich 7 Jahre in den USA als Postdoc gearbeitet. Wenn man seinen Doktortitel hat und dann weiter als Wissenschaftler arbeitet dann ist man sogenannter Postdoc. Danach bin ich nach Deutschland zurückgekommen und war dann ein halbes Jahr an der Universität Potsdam beschäftigt. Danach war ich sehr lange auf der Suche nach einer Arbeit, habe dann eine Fortbildung im Bereich Clinical Research gemacht. Anschließend habe ich ein Jahr lang in Ägypten als stellvertretender Forschungs- und Entwicklungsmanager in einem pharmazeutischen Unternehmen, das Biotech in Ägypten etablieren will, gearbeitet. Ich bin dann zurück nach Deutschland gekommen und habe eine weitere Fortbildung im Bereich Life Science Management gemacht. Anschließend habe ich ein halbes Jahr an der Beuth Hochschule in Berlin als Dozent gearbeitet und ein halbes Jahr in Buch bei einem Pharmazieunternehmen als Projektleiter. Das Projekt wurde leider nicht fortgesetzt, weshalb ich dann wieder ohne Beschäftigung war. Daraufhin habe ich Wirtschaftsingenieurwesen studiert und mich parallel darum gekümmert, Lehrer zu werden.


Haben Sie promoviert?

Ja, in Biochemie. Hier habe ich den Stoffwechsel von Archaeen (eine Art Urbakterie) erforscht.


Wieso haben Sie sich dazu entschieden Lehrer zu werden?

Das ist eine schöne Frage. Was mich von den ganz großen Wissenschaftlern unterscheidet ist sicherlich zum einen, dass ich gerne auch noch lebe, denn als Vollblutwissenschaftler ist man nur am Arbeiten und Forschen. Das habe ich sieben Jahre lang gemacht, teilweise 12-14 Stunden am Tag gearbeitet und das geht auf die Kondition. Wenn man dann noch eine Familie hat, wird es schwierig. Ich hatte vor, ein bisschen mehr Stabilität in mein Leben zu bringen und geregeltere Arbeitszeiten zu haben. Was mich außerdem von den richtig erfolgreichen Wissenschaftlern unterscheidet, ist die Tatsache, dass ich gerne mein Wissen teile. Wenn man als Wissenschaftler erfolgreich sein will, darf man das nicht. Da muss man sehr stark darauf achten, dass man selber nach vorne kommt und das kostet teilweise auch Freundschaften und ein normales Miteinander. Es ist ein ziemliches Hauen und Stechen und das ist nicht meins gewesen. Viele Ergebnisse werden auch nicht geteilt so dass die gleichen Fehler noch mal gemacht werden, weil oft nur Positives publiziert wird und nicht das, was nicht geklappt hat. Es geht immer nur um Geld und den eigenen Erfolg. Ich bin jemand, der gerne sein Wissen teilt. Schon in meiner Zeit in der Forschung und auch als Dozent habe ich gerne jungen Menschen mein Wissen nähergebracht. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Zu sehen wie etwas verstanden wird, hat mir viel gegeben. Als Wissenschaftler habe ich die Welt nicht so verändert, wie ich es wollte. Aber vielleicht kann ich es im Kleinen machen, vielleicht kann ich es hier an der Schule machen und einigen Schülern Hunger und Enthusiasmus für die Wissenschaft mitgeben. Wenn ich das nur bei Einem schaffe, ist das für mich mehr wert als alles andere.


Welche Fächer unterrichten Sie?

Zurzeit unterrichte ich Chemie und Biologie. In Vertretung auch gerne Ethik, Mathe oder Physik.


Welche Vorteile bringt den Schülern ihre praktische Berufserfahrung?

Ich denke mal ich habe einen Blick von sehr vielen verschiedenen Perspektiven. Hier in der Schule sollen Sie eine Rüstung für das Leben bekommen. Teilweise sind die Schulbücher zu theoretisch und an der Praxis vorbei und haben keinen Bezug zu Ihren Lebenskonstrukten. Vieles sollte auch erst im Studium vertieft werden; sie müssen keine Chemiker sein, wenn Sie die Schule verlassen. Ich kann nur versuchen, Ihnen den Spaß am praktischen und naturwissenschaftlichen Denken und Arbeiten zu vermitteln. Und da ich das eben schon gemacht habe, fällt mir das vielleicht etwas leichter, als jemandem, der „nur“ die theoretische Übermittlung von Wissen gelernt hat. Ich habe aber auch gesehen, dass Wissenschaft eine gnadenlose und eine sehr brutale und kaltherzige Disziplin sein kann. Wissenschaft ist nicht nur Spaß, es ist teilweise ein sehr schmutziges Geschäft. Ich habe auch schon unterschiedlichste Menschen kennengelernt und viel gesehen und kenne die Möglichkeiten, als Wissenschaftler zu arbeiten, wovon ich den Schülern berichten kann. Außerdem habe ich Beziehungen zu den Universitäten und habe auch schon mit Schülern ein richtiges Labor besucht.


Haben Sie Zeit im Ausland verbracht und würden Sie das ihren Schülern empfehlen?

Ich war insgesamt 8 Jahre lang im Ausland und würde das auf jeden Fall empfehlen, weil es Perspektiven und Horizonte öffnet. Reisen bildet. Erstens kann man viele Freunde weltweit gewinnen, was sehr schön ist. Man lernt die Sache außerdem von einer anderen Seite kennen und weiß, wie es sich anfühlt, fremd zu sein. Dabei erfährt man auch Vieles über sich selbst.


Bereuen Sie es erst jetzt Lehrer geworden zu sein?

Ja, ich wäre gerne früher Lehrer geworden. Ich habe es schon 2012 versucht. Aber man macht es uns Seiteneinsteigern teilweise sehr schwer. Da ich aus Niedersachsen komme, wollte ich dort Lehrer werden, was allerdings nicht ging. In Berlin wird es einem etwas leichter gemacht. Als Quereinsteiger haben wir oft mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass wir keine pädagogische Ausbildung haben. Natürlich müssen wir sehr viel dazu lernen, aber auf der anderen Seite bringen wir auch eine andere Art der Erfahrung mit. Mir macht das Lehrersein trotz des ganzen Stresses sehr viel Freude.


Was entspricht Ihren Erwartungen und was haben Sie sich an der Schule anders vorgestellt?

Was sehr schwierig war und ist, ist es mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten, die ein sehr geringes Interesse haben und Chemie und Biologie eher als ein Übel sehen. Ich muss immer versuchen, mein Wissen von einer sehr wissenschaftlichen Ebene herunterzuholen und es so zu reduzieren, dass ich Sie als Schüler nicht mit Wissen überfordere, dass Sie nicht brauchen. Das ist das Schwerste. Man möchte seinen Bildungsauftrag erfüllen und den Kindern und Jugendlichen etwas mitgeben, aber unterrichten ist nicht leicht, man unterschätzt es oft. Man muss sehr geduldig sein. Als Dozent an der Universität ist das auch noch mal etwas ganz anderes. Wo ich ein bisschen enttäuscht bin ist, zu sehen, wie schlecht Inklusion funktioniert. Besonders an den ISS haben wir ein sehr heterogenen Schülerklientel. Wir haben zu wenig Personal, um die Unterschiede im Leistungsniveau auszugleichen. Es ist schwer, allen gerecht zu werden. Schule ist manchmal auch ganz schön chaotisch. So würde kein Wirtschaftsunternehmen funktionieren. (lacht)


Bleiben Sie an unserer Schule?

Würde ich gerne, aber das geht leider nicht. Ich bin als Seiteneinsteiger von der Albrecht-Haushofer-Schule in Heiligensee angenommen worden und wenn ich meine Prüfung bestanden habe -hoffentlich- werde ich auch mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ausschließlich dort unterrichten. Ich würde gerne an beiden Schulen bleiben. Es sind recht unterschiedliche Herausforderungen. Doch gerade das macht es so spannend! 


Das Interview wurde mündlich geführt und die Antworten aus Gründen der Lesbarkeit an einigen Stellen leicht verkürzt oder verändert.


Wir wünschen Herrn Uhrigshardt weiterhin viel Erfolg!


Bleibt gespannt, es folgt ein weitere Interview in dieser Reihe! Abonniert gerne unseren Newsletter oder folgt uns auf Instagram, falls ihr nichts verpassen wollt!

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